Der unbestimmte Rechtsbegriff »Kindeswohl« erfordert zur Konkretisierung die Ausfüllung mit konsensfähigen humanwissenschaftlichen Erkenntnissen. In der Rechtsprechung wird das Kindeswohlprinzip bei Trennung der Eltern durch die Kindeswohlkriterien »Förderungsprinzip bzw. die elterliche Erziehungseignung«, »Kontinuitäts- und Stabilitätsprinzip«, »Bindungen des Kindes« und »Kindeswille« operationalisiert. Die Humanwissenschaften liefern hier ein zu den rechtlichen Entscheidungskriterien korrespondierendes System von Untersuchungsergebnissen und damit einen Maßstab, um das Kindeswohl im Einzelfall zu beurteilen und die Entscheidungsfindung auf eine faktenbasierte Grundlage zu stellen. Das Fehlen einer transparenten und geregelten Schnittstelle der Familiengerichte zur Wissenschaft und damit der verlässliche Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen zu den Inhalten des Kindeswohlbegriffs und zu den angewendeten Kindeswohlkriterien kann zu Fehlentscheidungen führen und damit zu Verlängerungen von Familiengerichtsverfahren – mit hohen Belastungen für alle Beteiligten. Das hier vorgestellte Praxisbeispiel ist eines von vielen Beispielen, anhand derer aufgezeigt werden kann, dass auch bei unkomplizierten Einzelfallentscheidungen vermeidbare Fehler gemacht werden, die durch Sicherstellung der Berücksichtigung sämtlicher konsensfähiger Erkenntnisse der Humanwissenschaften in familienrechtlichen Verfahren hätten vermieden werden können.
Rezensionen zu dem Band „Kindeswohl bei Trennung der Eltern“: